Niklas (28.11.2013)

Als ich um kurz nach 4 Uhr nachts von leichten Wehen wach wurde und irgendwann auch genervt von ihnen aufstand und etwas die Wohnung aufräumte, weil an Schlafen so nicht mehr zu denken war, war ich mir absolut sicher, dass es wieder ein Fehlalarm war, denn Wehen dieser Stärke und Dauer hatte ich bereits seit 4 Wochen jede zweite Nacht, zum Teil sogar in deutlich schlimmerer Form.

Ich ärgerte mich, dass ich schon wieder davon wach geworden war, aber sie erneut nur so vor sich hin kamen und gingen und (scheinbar) zu nichts führten. Nachdem ich gegen den Frust ein großes Stück (vielleicht waren es auch zwei oder drei…) Donauwelle, die ich nachmittags gebacken hatte, verdrückt hatte, beschloss ich, einfach wieder ins Bett zu gehen und zu versuchen, doch irgendwie weiter zu schlafen. Vorher wollte ich aber noch auf die Toilette gehen. Dort bemerkt ich, dass ich Blutungen hatte. Da ich während der Schwangerschaft schon zwei mal wegen Blutungen in der Klinik gewesen war und es nie etwas Schlimmes gewesen war, war ich relativ entspannt und eigentlich sicher, dass auch diesmal kein Grund zur Beunruhigung bestand. Trotzdem fragte ich mich, was das wohl sein könne, denn für einen Schleimpfropfabgang kam es mir dann doch zuviel vor. Also weckte ich Max, meinen Mann und fragte ihn nach seiner Meinung und er meinte, wir sollten besser die Notfallnummer des Geburtshauses anrufen. Ich hatte zwar erst ein schlechtes Gewissen, wegen so etwas jemanden aus dem Schlaf zu reißen, aber wollte dann doch lieber sicher sein, dass alles in Ordnung war mit unserem Baby. Wenig später hatte ich Nike am Telefon, die, obwohl ich sie sicher gerade aus ihrer Tiefschlafphase gerissen hatte, so lieb wie immer am Telefon war und versprach, sofort vorbeizuschauen. Keine 15 Minuten später war sie da, hörte die Herztöne unseres Kleinen ab, die zum Glück in Ordnung waren und meinte, nachdem sie mit mir einige Wehen veratmet und dabei die Zeit gestoppt hatte, das sehe doch gut aus (ich hatte Wehen von 45-60 Sekunden Dauer, als sie hier war) und es würde wohl jetzt bald losgehen. Ich antwortete ihr noch im Brustton der Überzeugung, dass die Abstände noch viel zu lang seien, es mir in den Wehenpausen noch VIEL zu gut ginge und dass ich überhaupt ja schon seit Wochen Wehen hätte und es nie losgegangen sei. Sie sagte, die Blutung spreche aber dafür; sie würde jetzt zum Bäcker fahren und frühstücken, ich solle, wie ich es vorgehabt hatte, zur Entspannung in die Badewanne gehen und wir würden uns dann später im Geburtshaus sehen. Max wollte sich dann auch schon einmal für den nächsten Tag frei nehmen, was ich für völlig übereilt hielt. Während Max und Nike sogar schon spekulierten, ob unser Sohn wohl zum Mittag, Brunch oder sogar schon zum Frühstück da sein würde, dachte ich im Stillen, die beiden hätten ja keine Ahnung. Schließlich war dies mein zweites Kind und ich wusste, dass das hier noch lange keine Geburtswehen waren! Kaum dass Nike weg und ich im warmen Wasser war, verschlimmerten sie sich aber so schlagartig, dass ich es kaum aus dem Wasser heraus und in meine Kleidung hinein schaffte. Alles, was ich, wenn es „losging“, eigentlich noch schnell erledigen wollte, war plötzlich egal. Sehr egal. Max, der ziemlich Druck machte, ich solle mich doch bitte schneller anziehen, war wohl klarer als mir, dass wir entweder in den nächsten 10 Minuten oder gar nicht mehr losfahren würden und für einen kurzen Moment erwägte ich während einer besonders bösen Wehe, ob wir nicht doch eine Hausgeburt machen sollten. Da die Vorstellung, Handtücher, Plane und sonstiges „Zubehör“ heraussuchen (lassen) zu müssen, mir aber fast genau so wenig zusagte wie die Vorstellung einer (kurzen) Autofahrt und mir der Ortswechsel irgendwie auch verlockend erschien, ließ ich Max vorgehen, um Tasche und Autositz schon einmal herunter zu bringen, um danach mich, falls ich es irgendwie noch schaffen sollte, mich anzuziehen, die Treppe herunter transportieren zu können. Als er wieder hoch kam und mich mitnehmen wollte, war ich immer noch nicht angezogen. Das lag zum Einen daran, dass ich plötzlich eine Wehe nach der anderen bekam und die Pausen einfach nicht ausreichten, um vom Bett zum Kleiderschrank zu gelangen. Zum Anderen war mir plötzlich so heiß, dass ich das, was ich mir eigentlich für die Geburt herausgesucht hatte (etwas schön Warmes, da mir bei der ersten Geburt so kalt gewesen war), nicht anziehen mochte, weil es schlichtweg zu warm war. Mir aber nun mit diesen Wehen über ein neues Outfit, das bequem, praktisch, leicht anzuziehen und irgendwie greifbar ist, Gedanken zu machen, überforderte mich in diesem Moment völlig. Max hingegen fragte mich verständnislos, wie ich mir in so einer Situtation Gedanken über mein Outfit machen könne. Ich solle doch bitte schnell irgendetwas anziehen, damit wir endlich loskönnen. Ich fühlte mich missverstanden, hatte aber keine Kraft, ihm das Ganze zu erklären und da die Wehen ja auch nicht weniger wurden, habe ich schließlich dann resigniert wirklich zum Erstbesten gegriffen, das mir in die Hände fiel. Endlich konnte es losgehen. Inzwischen war ich Max (auch wenn ich mich immer noch völlig missverstanden fühlte) dann doch dankbar, dass er mich so angetrieben hatte, denn 10 Minuten später wäre ich wirklich nicht mehr zum Verlassen des Hauses in der Lage gewesen. Auf dem Weg nach unten hoffte ich inständig, keine Wehe im Treppenhaus zu bekommen, um niemanden unserer Nachbarn zu wecken. Natürlich kam besagte Wehe direkt vor deren Tür und ich fluchte innerlich so vor mich hin wie es sonst überhaupt nicht meine Art ist.
Die Autofahrt war unerwartet erträglich und ich hatte schon Angst, dass uns Nike womöglich noch spazieren schicken würde, weil die Wehenabstände mir zu lang vorkamen. Und ich hatte nur Hausschuhe an. Wie sollte ich darin denn spazieren gehen? Und was wäre, wenn mir dann unterwegs kalt würde? Ich hatte nämlich wegen der Hitzewallungen keine Jacke eingepackt. Diese Sorgen waren aber unbegründet, denn gleich im Eingangsbereich des Geburtshauses überfiel mich eine Monsterwehe, die mir klar machte, dass ich nirgendwo mehr hinspazieren würde.
Nike begrüßte uns ganz liebevoll und ich fühlte mich sofort bestens bei ihr aufgehoben, versorgt und verstanden. Ich hatte genau zwei „normale“ Wehen, bis ich merkte, dass es Presswehen wurden und Nike dies mitteilte und fragte, ob ich schon mitschieben dürfe/solle, was mir absolut utopisch vorkam nach so kurzer Zeit. Ich zweifelte schon an meiner eigenen Einschätzung der Wehen. Die Untersuchung zeigte aber in der Tat, dass mein Muttermund, der zu Hause noch nur 1-2 fingerdurchlässig gewesen war, sich in nicht einmal einer Stunde komplett geöffnet hatte. Ich durfte und sollte also wirklich schon mitpressen. Das wollte ich aber dann doch wieder nicht und ich versuchte, erst einmal ein paar Presswehen wegzuatmen in der Hoffnung, es würde vielleicht niemand merken. Sowohl Nike als auch Jule, die inzwischen (mit sehr stylischer Beanie-Mütze auf dem Haupt) auch eingetroffen war und über deren Anwesenheit ich mich auch riesig freute, merkten aber natürlich meine Trickserei, zumal den Hebammen diese schon von meiner ersten Geburt bekannt war und verabreichten mir Globuli. Ich habe keine Ahnung, was mein Problem mit Presswehen ist und warum ich meine, mein Kind irgendwie ohne Pressen zur Welt bringen zu können, aber in dem Moment ist man irgendwie nicht man selbst… Nach der Einnahme der Globuli war mir urplötzlich nach einem Positionswechsel in die Hocke und dann ging es plötzlich alles ganz schnell vorwärts. Mitten im Mitschieben fragte ich, wo denn eigentlich „die Dritte“ sei, da Nike mir bei ihrem Hausbesuch nachts gesagt gatte, sie seien heute zu dritt, da noch eine neue Hebamme eingearbeitet würde. Daraufhin antwortete Jule, das sei eine gute Frage und wenn wenn sie nicht bald käme, würde sie wohl alles verpassen. Das hat mich dann irgendwie sehr motiviert, doch noch etwas mehr mitzuhelfen, trotz der Schmerzen am Damm und der Angst vor dem prognostizierten Riesenkopf meines Babys, weil das ja so klang, als wäre es wirklich bald geschafft. Plötzlich fiel mir auf, dass ich noch einmal meine Socken ausgezogen hatte und ich jammerte: „Ich habe ja immer noch meine Socken an! Sie werden jetzt sicher ganz schmutzig!“ Etwas verdutzt, dass ich in so einem Moment an meine Socken (nicht einmal besonders hübsche…) denken kann, aber auch mit einem breiten Grinsen im Gesicht, meinte Jule (oder war es Nike?) dann, sie hätten ganz phantastische Desinfektionswaschmittel im Geburtshaus und sie würden mir meine Socken schon wieder sauber kriegen. Ich war beruhigt. Dann fiel mir allerdings ein, dass ich hier ja noch gar nicht in der Badewanne gewesen war und in einer weiteren Wehenpause tat ich dies kund, worauf ich die Antwort bekam: „Wann hättest du das denn noch machen wollen?! Dein Kind kommt jetzt!“
Gerade rechtzeitig kam Jana (besagte „Dritte“) dann zur Tür herein, bevor Niklas mit 3700 g, 36 cm Kopfumfang und 54 cm Körperlänge vor dem großen Himmelbett zur Welt und in unser Leben kam. Ich war so erleichtert, es geschafft zu haben und konnte nicht glauben, dass es nach noch nicht einmal einer Stunde vor Ort im Geburtshaus wirklich schon geschafft war. Ich hatte, außer einer etwas blutenden Schürfwunde, nicht einmal eine Geburtsverletzung erlitten, dafür aber einen Strafzettel (für das Lösen eines Parkscheines war nun wirklich keine Zeit mehr gewesen!) zur Erinnerung behalten.
Leider machten mein Kreislauf und die Nachwehen mir nach der Geburt so sehr zu schaffen, dass ich nach einem ersten Kuscheln und Kennenlernen dann erst einmal eine Zeit lang nur mit mir selbst beschäftigt war und unseren Sohn seinem Papa bzw. den Hebammen überlassen habe. Ich kam mir wie eine Rabenmutter vor, aber ich war einfach noch zu schwach, um mich um irgendetwas oder -jemand anders kümmern zu können. Nach etwas frischer Luft, kreislaufanregenden Tropfen, Cola, frischem Obst, das mir ans Bett gebracht wurde, einem Kurzbesuch von Meike (der Hebamme unserer ersten Geburt) sowie einer großzügigen Portion Paracetamol ging es mir dann aber endlich gut genug, um auch mit unserem Baby kuscheln zu können. An Duschen war zwar wegen meines Kreislaufes nicht zu denken, aber gestützt konnte ich keine 2 1/2 Stunden nach Niklas‘ Geburt dann die Heimfahrt antreten und wenig später zu Hause im eigenen Bett unser neues kleines Wunder weiter in Ruhe bestaunen.
Unser riesiger Dank gilt dem gesamten Team des Geburtshauses, das uns auch während dieser Schwangerschaft, die wieder so ihre Tücken hatte und weder einfach noch angenehm war, jederzeit kompetent, engagiert und liebevoll und betreut, beraten, und versorgt hat. Ohne sie wäre auch diese Geburt sicher nicht so schnell, unkompliziert und ja, trotz aller Schmerzen auch irgendwie schön, verlaufen. Danke, dass ihr es uns möglich gemacht habt, unsere beiden Kinder in einer so tollen Umgebung natürlich und sicher zur Welt zu bringen! Danke auch an Sabine für den Vorbereitungskurs und Edith und vertretungsweise Nike für die tolle Nachsorge. Schade eigentlich, dass alles schon wieder vorbei ist…

Max, Helen, Marja und Niklas

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