Geburtsbericht von Lena
22.Mai.2018 Justus – unser zweites Schnappskind
Die Geburt von Justus hat eine lange Vorgeschichte, weil ich seit der 36. SSW immer wieder so deutliche Vorwehen spüre, die teils schon regelmäßig, aber in größeren Abständen kommen, und schon mal einen Tag oder Nacht lang dauern – dass ich permanent in Habacht-Stellung bin, es könnte demnächst losgehen, weil es beim ersten Kind auch so war. Aber Justus sieht das offensichtlich ganz anders und geht noch in die Nachspielzeit. Als ich am errechneten Termin beim Frauenarzt bin, heißt es, na ja das Fruchtwasser sei wenig, die Plazenta verkalkt und der Platz auch eng, es wird Zeit, dass er rauskommt. Ich bin durcheinander nach diesem Arztbesuch, was will man mir sagen? Ein Gespräch mit Kati nimmt mir Ängste und Sorgen, denn die meisten Kinder kommen nach dem errechneten Termin und weil es Zeit ist, ist es auch normal, dass Fruchtwasser und Platz gering sind. Zwei Tage (40 +2) später gehe ich wieder zu Vorsorge bei der Frauenärztin und diese möchte, da sie selbst im Urlaub sein wird, alles abgesichert wissen und schickt mich zur genaueren Untersuchung ins Krankenhaus, um ggf. eine Einleitung abzusprechen. Ein Dopplerultraschall soll klären, ob die Versorgung noch gesichert ist und das Fruchtwasser zum Warten ausreicht. Da bei meinem ersten Kind im Krankenhaus, die Geburt am Wehentropf endete, graute es mir vor einer Einleitung. Mir geht es mit diesen Gedanken und Ängsten im Kopf gar nicht mehr gut, ein weiteres Telefonat mit Johanna, macht mich wieder zuversichtlicher. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon sehr froh, mich für das Geburtshaus und die Betreuung durch die Hebammen entschieden zu haben – dieses ständige Risikodenken und Angstmachen durch die Medizin verunsichert mich persönlich nur, auch wenn es gut gemeint ist. Die Untersuchung am Tag 40+3 ergibt alles sei noch im Normbereich, aber länger als eine Woche würde man so nicht mehr warten. Einen Tag darauf (40+4) haben wir einen Vorsorgetermin bei Johanna, die mit uns nochmal alles durchspricht und Mut macht. Es gibt ein Fläschchen Ut-öl, mit ein paar Tropfen davon soll ich abends baden gehen, es könnte den Geburtsvorgang beschleunigen. Kaum zu glauben, nach vier Tagen Verwirrung gehe ich aus dem Geburtshaus fröhlich und entspannt raus, die Sonne scheint, wir spazieren noch ein bisschen und ich bin mir sicher wir können noch warten. Auch wenn der Bauch gefühlt schon zwischen den Kniekehlen hängt und ich mich irgendwie gar nicht mehr großartig bewegen kann. Wir verbringen noch zwei wirklich schöne Tage zu dritt, gehen ins Freibad und lassen es uns im Garten gut gehen. Seltsamerweise melden sich in den Tagen zwei alte Freundinnen bei mir, die ich schon lange nicht mehr gesprochen habe, deren Kinder ein oder sogar zwei Wochen nach Termin kamen. Ich frage mich schon wie man das mit diesen ganzen Untersuchungen und Abwägungen mental durchsteht, es macht mir aber auch Mut, denn andere haben das auch schon geschafft. Die Nacht von Pfingstsonntag auf Pfingstmontag (40 +5) ist seltsam, ich wache auf, kann nicht richtig schlafen, bin irgendwie nervös und unruhig. Am Morgen scheint die Sonne und es wird ein ‚perfekter‘ Tag, einfach schön zu dritt. Abends schaue ich den Tatort, nebenbei schiele ich hin und wieder zur Uhr, mal wieder so „nicht so ernst zu nehmende wehwehchen“ denke ich, aber alle 8 Minuten regelmäßig. Ich kann das gar nicht mehr ernst nehmen und warte bis Christoph von der Gartenarbeit rein kommt. Gehe dann in die Badewanne und albere mit Christoph herum, dass es ja total perfekt wäre, wenn heute Justus sich auf den Weg machen würde, weil er dann am 22. geboren wäre. Unser erster Sohn ist an einem 11. geboren, dann hätten wir zwei ‚Schnappskinder‘. So nebenbei bemerke ich, dass die Wehen nun alle 5 Minuten kommen und deutlicher werden. Aber eigentlich will ich nicht mehr baden, Christoph ermahnt mich „bleib doch noch ein bisschen drin“. Auch er ist nach den letzten Wochen froh, wenn das Kind endlich geboren ist. Nach 30 Minuten muss ich die Wehen veratmen, kurz darauf vertönen, es ist nun klar, dass sind echte Geburtswehen und ab jetzt gibt es auch kein Zurück mehr. Ich gehe aus der Badewanne raus und wir melden uns beim Geburtshaus an (gegen 23 Uhr), dass es diese Nacht wohl soweit sei und fragen nochmal nach, ab welchen Zeitpunkt man den losfahren solle. Meike meint „wenn die Wehen richtig knackig von Anfang bis Ende sind, so 90 Sekunden lang“ und „das merkst du schon, wann es Zeit ist“. Wir geben auch der Oma Bescheid, dass sie sich um Schnappskind Nr.1 kümmert, wenn wir losfahren. Christoph hat nun den Auftrag die Zeit zu stoppen, ich kann schon nicht mehr klar denken, verkrümel mich ins Schlafzimmer und innerhalb kurzer Zeit schaff ich es nur noch vorm Bett kniend ins Stillkissen zu tönen. Laut Christoph sind das aber „immer noch keine 90 Sekunden“. Ich kann nicht nachvollziehen was er da misst oder auch nicht (!?!). Um zwölf rum beschließe ich, das halte ich nicht mehr aus, wir fahren jetzt. Schnell wird die Oma verständigt zu kommen, dann geht es los. Um halb eins etwa sind wir im Geburtshaus, gerade so schaffe ich es zwischen den Wehen von Auto ins Haus. Kurz flackert der Gedanke auf „hoffentlich bin ich nicht zu früh hier“, aber schnell ist klar, dass der Muttermund bei 6-7cm offen ist und der Gedanke wohl unberechtigt war. Ich weiß auch schon gar nicht mehr was ich will, setze mich irgendwie aufs Bett und kralle meine Hände bei den Wehen in Kissen, Christoph weise ich noch an meinen Rücken zu stützen. Dankbarerweise nimmt Meike die Sache in die Hand, lässt Wasser in die Badewanne. Dort dauert es dann auch nicht lange und ich spüre die Presswehen, kurz darauf soll ich mitpressen und die Fruchtblase platzt (1:22 Uhr). Zwei oder drei Presswehen später wird der Kopf geboren. Justus macht wohl direkt lustige Grimassen und eine volle Drehung, sehr zur Belustigung der nun anwesenden (Meike, Kati und Christoph). Ein letzter Kick in meinen Bauch nach der Pirouette und mit den nächsten Presswehen wird Justus um zwanzig vor zwei geboren. Ich bin irgendwie in so einer Art Schmerztrancezustand, super erleichtert und kann es noch gar nicht glauben, dass jetzt in diesem Galopp auf einmal alles vorbei ist, worauf wir in den letzten Monaten ‚hingearbeitet‘ haben. Ich bekomme Justus auf die Brust gelegt, öffne meine Augen und meine ersten Worte sind: „Oh, bist du hübsch“. Ein wirklich hübscher kleiner Kerl ist zu uns auf die Welt gekommen. Die Nachgeburt kommt unproblematisch und danach dürfen wir uns noch ein wenig eingemuckelt aufs Bett legen, kuscheln, erste Nuckelversuche starten, etwas essen. Um halb vier verlassen wir das Geburtshaus, die ganze Nacht kann ich gar nicht richtig schlafen, so euphorisch bin ich noch. Zuhause freut sich ein großer Bruder und kommt zu uns ins Bett gehüpft. Für mich/für uns war das Geburtshaus die absolut richtige Entscheidung, allein die Begleitung während der Schwangerschaft durch die Hebammen waren es wert und die Geburtshilfe war genau so, wie ich es mir gewünscht hatte: ich konnte darauf vertrauen, dass mir in meinem Sinne geholfen wurde – vielen Dank und großen Respekt vor eurer tollen Arbeit!