Die 100. Geburt an einem sonnigen Septembermorgen im Wasser
Mal wieder bin ich nachts aufgewacht und drehe mich schwerfällig auf die andere Seite. Ups, da fließt etwas aus mir raus, meine Unterhose ist nass. Als ich im Badezimmer bin, kommt noch mehr Flüssigkeit. Ich betrachte sie und erst da wird mir klar: Meine Fruchtblase ist geplatzt. Ich versuche mich zu erinnern, was zu tun ist. Genau, erst mal abwarten, wenn das Fruchtwasser nicht grünlich aussieht. Also lege ich mich wieder ins Bett und erwarte die Wehen, die tatsächlich allmählich kommen und stärker werden. Nach zwei/drei Stunden treiben sie mich aus dem Bett. Ich laufe in der Wohnung umher, telefoniere mit der Hebamme Kathi, dusche, esse ein bisschen und höre die Geburts-Playlist. Ich bin ganz ruhig und erwartungsvoll. Tief einatmen und lange ausatmen, wenn eine Welle kommt. Die Hüfte kreisen und zwischendrin ausruhen. Ich verbringe die meiste Zeit im Kinderzimmer, während Mann und Kind noch schlafen. Gegen fünf Uhr werden die Wehen stärker, es kommt Leben ins Haus. Das Kind hüpft aufgeregt durchs Wohnzimmer, der Mann sucht alle Sachen zusammen. Um halb sechs trifft meine Mutter ein, wir brechen sofort auf. Nun wird das Laufen schwierig und ich töne bei den Wehen. Nach wenigen Minuten Fahrt parken wir hinterm Geburtshaus, der Weg zum Eingang wirkt lang, ich muss mich an der Hauswand abstützen, als wieder eine Welle kommt. Kathi hat auf meinen Wunsch hin die Badewanne schon vorbereitet. Ich gehe noch kurz zur Toilette, ziehe mich dann aus und steige ins warme Wasser. Zu heiß finde ich. Nein, doch lieber wieder wärmer, bitte. Das Fenster auf, dann wieder zu. Traubenzucker und Wasser an der Seite. Ich wechsele die Positionen oft und bitte meinen Mann in die Wanne zu kommen und mich zu stützen. Er streichelt mich zwischen den Wehen. Neben uns sitzen Kathi, der Hebammenstudent Jonas und die zweite Hebamme Maren. Alle drei sind ruhig und sprechen mir zwischendurch aufmunternde Worte zu. Draußen geht langsam die Sonne auf, während bei mir die Presswehen starten. Für ein paar Momente fühle ich mich überwältigt. Was passiert mit meinem Körper, was soll ich machen? Verunsichert schaue ich zu den Hebammen, die mir zusprechen. Dann akzeptiere ich: Mein Baby kommt genau jetzt aus mir raus. Ich spüre, wie es weiter nach unten rutscht und nun macht es mir fast Spaß, zu schieben. Ein lauter Schrei von mir, das war der Kopf, geschafft. Nun verschnaufen. Und da ist der Körper, da ist mein kleiner Sohn im Wasser. Wir haben es geschafft. Ich bin so erleichtert und glücklich. Du kannst ihn ruhig hochnehmen, sagt Jonas, und ich nehme ihn ganz vorsichtig in meine Arme und lehne mich an meinen Mann. Das Baby schreit laut, Jonas macht ein Foto von uns dreien. Die Sonne scheint. Wir warten, bis die Plazenta gekommen ist, bevor abgenabelt wird. Als wir zu dritt im Bett liegen und frühstücken (endlich wieder Camembert!) stellen sich unsere drei Begleiter*innen vor uns und gratulieren feierlich. Jonas strahlt: Wir haben gerade gesehen, dass ihr die 100. Geburt hier seid.
Danke für das tolle Team und die entspannte Atmosphäre bei euch!