Es war am Karfreitag vor Ostern als wir gemeinsam zur ersten Kontrolle nach ET ins Geburtshaus kamen. Jule und die Hebammenschülerin Tally empfingen uns und mein großer Kugelbauch wurde durch Tasten untersucht. Auf dem CTG war Wehenaktivität zu erkennen, doch diese spürte ich noch nicht. Wir sprachen darüber, wie ruhig es an Feiertagen sei und dass es bestimmt nicht mehr lange dauert bis die Wehen stärker würden.
Am Abend fiel es mir, wie die Tage zuvor, schwer ins Bett zu gehen, doch als wir schließlich gegen Mitternacht lagen, gingen drei ganz leichte Wellen durch meinen unteren Bauch. Wir konnten ahnen, dass es bald losgehen würde und entschieden noch etwas zu schlafen. Daraus wurde jedoch nichts, denn kurz darauf fühlte ich, wie das Fruchtwasser meine Hose durchtränkte. Dieses Gefühl hielt mich die nächsten Stunden wach und daher beschäftigte ich mich leise alleine, während die Wehen stetig kräftiger wurden. Mit Dokumentationen über den Abbau von Edelsteinen versuchte ich mich etwas abzulenken und trank dabei viel Wasser. Um 4:30 Uhr wählte ich dann die Nummer der ersten Hebamme, denn die roten Schlieren im Fruchtwasser ließen mich unsicher werden. Jule schien mein Anruf nicht überrascht zu haben und sie nahm mir meine Zweifel mit ihren ruhigen zuversichtlichen Worten. Da die 3-2-1 Regel noch nicht zutraf, verabredeten wir uns für später und sie legte sich wieder hin.
Um 6:00 Uhr wollte ich nicht mehr alleine sein, denn die Wehen waren nun schon kräftig geworden. Liebevoll wurde ich unterstützt, gehalten und mit einem nassen Lappen für meine Stirn versorgt. Inzwischen kniete ich auf dem Teppich und veratmete die Wehen, wie wir es im Vorbereitungskurs bei Maren gelernt hatten. Dabei half es mir die Hüften kreisen zu lassen damit das Ziehen erträglicher wurde. Um 7:00 Uhr bat ich dann erneut um einen Anruf, denn die Wehen kamen alle drei Minuten und hielten für 40 bis 60 Sekunden an. Wir verabredeten uns für 8:00 Uhr mit Jule im Geburtshaus und die 45 Minuten bis dahin kamen mir so unendlich lang vor. Inzwischen zitterten meine Beine so sehr, dass ich mir nicht sicher war den Weg aus dem 2. Stock bis hinunter ins Auto zu schaffen. Immer wieder holte ich mir das Bild von Meereswellen vor das innere Auge, denn das Auf und Ab fühlte sich passend an. Um 7:45 Uhr war der Proviant und die gepackte Tasche im Auto verstaut und zwischen zwei Wehen lief ich eilig die Treppe hinunter, um im Auto die Nächste zu veratmen. Das Sitzen war wirklich unangenehm und die kräftigen Wehen machten es nicht besser. Am Haltegriff zog ich mich hoch, während die Füße vorne Gegendruck aufbauten. Gemeinsam vertönten wir nun die Wehen, bis wir endlich (nach 12 Minuten) im Geburtshaus ankamen.
Jule und Tally nahmen uns in Empfang und hatten auf meinen Wunsch hin schon das Wasser in die Wanne gelassen. Erleichtert endlich im Geburtshaus zu sein, stieg ich in die Wanne und das Zittern meiner Beine ließ nach. Die nächsten Stunden verbrachte ich in einem mentalen Zustand zwischen den Welten. Die flotte Musik nahm ich nur am Rand wahr. Über meinen Rücken wurde ein großes Handtuch gelegt, denn dort war es mir gelegentlich kalt. Immer wieder hörten Jule und Tally die Herztöne des Babys ab oder tasteten nach dem Muttermund. Dies geschah meist in den Wehenpausen und stimmte mich nicht sehr fröhlich. Denn in den Phasen zwischen den Wehen versuchte ich mich etwas zu erholen und war nahe dran zu schlafen bis die nächste Welle über mich hinweg rollte. Irgendwann hatte ich das Gefühl auf Toilette zu müssen und zwang mich hinaus in die Kälte. Dabei wurde ich stets begleitet sowie auch durch die Wehen. Das Gemeinsame Tönen gab mir etwas Kraft und Zuversicht. Die Musik war nun ruhiger und plätscherte wie ein Bächlein im Hintergrund.
Dann veränderte sich auf ein Mal der Druck und ich hatte das Gefühl endlich mit schieben zu können. Die Schmerzen wurden immer stärker und inzwischen kniete ich in den Pausen mit dem Gesicht auf dem Wannenrand liegend im Wasser und war sehr dankbar für das Stabilisieren meiner zitternden Ellenbogen. In einer längeren Ruhephase bemerkte ich, dass inzwischen auch Kathi anwesend war, daher konnte es nicht mehr lange dauern. Von allen Seiten wurde ich unterstützt und bestärkt meine ganze Kraft zusammen zu sammeln und dem Baby beim Schieben zu helfen. Dann konnte ich das Köpfchen selbst mit den Fingern ertasten und das gab mir erneut einen kleinen Kraftschub. Die Schmerzen und der Druck nahmen weiter zu und die Idee meine Beinposition zu verändern fand ich nur mäßig gut. Nicht lange und ich fand es auf den Knien wieder angenehmer. Die Dehnung wurde immer Stärker und ich wartete sehnlichst auf den Moment des Nachlassens. Um mich herum hörte ich aufmunternde Stimmen und dann nach einer wirklich heftigen Wehe ließ die Spannungen nach und ich fühlte wie der Kopf meinen Körper verließ. Etwas erleichtert und sehr erschöpft machte ich mich darauf gefasst nach einer kleinen Pause erneut kräftig schieben zu müssen, um die Schultern durch mein Becken zu drücken. Doch als ich der nächsten viel leichteren Wehe folgte, rutschte es und ich konnte noch die Füße spüren, bevor das Baby plötzlich um 12:21 Uhr vor mir im Wasser schwamm. Sehr überrascht und erschöpft zu gleich, holte ich das rosige, gesunde, kleine Menschenkind aus dem Wasser und konnte es nicht glauben. Doch es genügte ein Blick in das knitterige Gesicht und der Name stand fest. Vorsichtig lehnte ich mich an den Wannenrand und gemeinsam genossen wir das Gefühl nun eine kleine Familie zu sein. Es fühlte sich so unglaublich und wunderschön an, dass es für den Moment keine passenden Worte gibt; außer: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“
Der Papa trennte die auspulsierte Nabelschnur und dann durften Vater und Sohn mit Kathi zur U1 in den Geburtsraum gehen und anschließend sich im großen Bett einkuscheln, während Jule und Tally mir mit der Plazenta halfen und mich anschließend aus der Wanne geleiteten.
Im Bett lagen wir dann eine Weile als Familie zusammen bevor wir etwas essen durften und meine Verletzungen versorgt wurden. Dabei erfuhr ich von der Größe und dem Kopfumfang unseres Sohnes und machte angesichts der Zahlen große Augen, hatte ich doch mit einem zierlicheren Kind gerechnet. Tally half uns beim ersten Anlegen und zu meiner Erleichterung versuchte der Kleine sofort zu trinken. Schließlich stellte sich die Aufbruchstimmung ein und unser Sohn wurde von seinem Papa angezogen, während Jule mir ein paar Pflegetipps für die Wundheilung mit gab.
Auf dem Weg zum Auto legten wir einen Stopp bei der Tafel im Flur ein und ließen uns als Familie fotografieren, bevor es nach einer herzlichen Verabschiedung von den beiden Hebammen nach Hause ging. Das war ein unvergessliches Osterwochenende!
Wir sind dem Geburtshaus Team sehr dankbar für die liebevolle Begleitung in der langen Zeit der Schwangerschaft. Ganz besonders Jule (und Tally) für die Unterstützung in entspannter Atmosphäre während der Geburt und Kathi für die aufbauenden Besuche im Wochenbett.
Für uns war das eine wirklich schöne Erfahrung in dieser lebensverändernden Situation. Ganz herzlichen Dank!