Wechselbad der Gefühle – Luzie
Hier mein Geburtsbericht zu meiner Schwangerschaft mit schrecklichem Anfang und einem unvergesslichem Ende ohne jeden Schrecken im Geburtshaus.
Schwangerschaft
Irgendwann hielt ich entgegen jeder Prognose einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Die Freude war riesig, weil wir eigentlich nicht mehr damit gerechnet hatten. Unsere Tochter Ronja (https://www.geburtshaus-bielefeld.de/ronja/) würde also doch nicht alleine groß werden.
Wir warteten also erstmal ein paar Wochen ab… Bei der ersten Ultraschalluntersuchung konnte man dann schon ein kleines Herz schlagen sehen. Nachdem ich leider beim Gynäkologen nicht mein Kreuz bei „Recht auf Unwissenheit“ gemacht habe, begannen dann die Untersuchungen. Gut, ich bin mit meinen 38 Jahren nicht mehr wirklich jung. Was allerdings dann losging, damit hätte ich in meinen gruseligsten Träumen nicht gerechnet.
Wir entschieden uns für ein Ersttrimesterscreening. Dabei konnte beim dazugehörigen Ultraschall kein Nasenbein gefunden werden und die Nackenfalte war etwas zu dick. Alles „Verdachtsmomente“ auf Trisomie. Der Gyn sagte zu uns „ Er wäre sich nicht sicher“ Das ist so ein Satz, den ich echt niemandem in seinem Leben je wünsche. Nach weiteren Untersuchungen und Wochen, in denen wir zu Hause über Statistiken und die Frage „Welches Leben lebenswert ist“ diskutierten, war dann irgendwann nach weiteren Untersuchungen klar: Das Baby ist gesund, alles falscher Alarm. Das war aber erst nach ungefähr der Hälfte der Schwangerschaft klar. Danach konnten wir endlich wieder schlafen. Es waren furchtbare Wochen gewesen: einerseits die riesige Freude und dann ein Dämpfer nach dem nächsten. Wider Erwarten erreichten wir ohne weitere Probleme den errechneten Entbindungstermin, den 20.10.2018.
Alles stand auf „Go“…
Jedoch tat sich nichts ;-)…
Geburtsbericht
Wir erreichen also ET+6:
Alles in Ordnung, aber keine einzige Wehe.
Bei ET+11 würde mein Gyn die Notbremse ziehen und im Krankenhaus einleiten wollen.
Das wollte ich auf gar keinen Fall.
Bei ET+10 bekam ich von das Rezept für den Wehencocktail. Ein letzter Versuch, um „Sie“ oder „Ihn“ – das Geschlecht des Babys war uns nämlich unbekannt – aus meinem Bauch zu kitzeln. Gesagt, getan. Nachdem Lisa alles kontrolliert hatte und auch das CTG in Ordnung war, fuhr ich nach Hause. Vorher besorgte ich auf dem Rückweg noch schnell die Zutaten für den speziellen „Cocktail“. Für mich fühlte es sich nicht so an, als würde an diesem Tag noch etwas passieren 😉
Ich trank also zu Hause die erste Portion und legte mich noch eine Stunde ins Bett. Es passierte nichts. Ich trank eine weitere Portion und stieg in die Wanne. Es gab vereinzelt einige Magenkrämpfe oder vielleicht auch Wehen? Das wusste ich nicht so genau. Mein Mann kam nach Hause, um unsere Tochter aus der Kita zu holen und um auf mich aufzupassen. Er war auch eher skeptisch, ob etwas passieren würde. Inzwischen waren wir überzeugt, dass das Baby auf den November warten wollte. Ich trank die letzte Portion vom Cocktail und tigerte unruhig durch das Haus. Da waren Schmerzen, könnten aber auch Magenkrämpfe sein. Ich rief die erste Hebamme Lisa an. Sie sagte mir, dass beim zweiten Kind die Wehen nicht mehr so regelmäßig sein müssen. Ich solle mir mal so eine Wehen-App runterladen und die Schmerzen aufzeichnen. Die App berechnete nach 5 Wehen, dass ich mich ins Krankenhaus bewegen sollte. (Gehen Sie nicht über Los, ziehen Sie nicht 4000€ ein.) Ich lachte und fragte mich noch, wer so einen Quatsch programmiert und drückte die Meldung weg. Irgendwann zeichnete ich nichts mehr auf, weil die Schmerzen immer schlimmer wurden. Erneut rief ich vielleicht so gegen 14 Uhr Lisa an. Wir verabredeten uns zu 16 Uhr im Geburtshaus. Ich rechnete fest damit, dass sich noch nicht viel getan hätte und wir noch spazieren gehen müssen. Mein Mann organisierte noch die Abholung unserer Tochter aus der Kita und dann fuhren wir los. Er erinnerte mich auch beim Einsteigen noch netterweise daran, dass ich wohl 3-4 Wehen im Auto aushalten müsste. Ich musste innerlich lachen: wir fahren so allerdings schon 30 Minuten und wer Bielefeld im Feierabend kennt, weiß, dass es mit den 30 Minuten nicht gut aussehen würde.
Das erste Mal in zähfließendem Verkehr steckten wir direkt vor unserer Haustür. Danach lief es erstaunlich gut bis zur Abfahrt Stapenhorststrasse. Mein Mann schielte schon dauernd auf den Seitenstreifen. Wir kamen nach ein paar Minuten frei und hatten das erste Mal einen von den Parkplätzen direkt vor dem Geburtshaus. Das war ein Zeichen! Ich schickte ihn noch los einen Parkschein holen. Daran werden wir uns unser ganzes Leben lang erinnern: die Uhrzeit auf dem Parkschein lautete 15:55 Uhr. Ich musste vor dem Aussteigen erst noch eine fiese Wehe überstehen, dann ging es rein. Lisa empfing uns an der Tür und es ging direkt ins liebevoll hergerichtete Geburtszimmer: Kerzen brannten, die Wickelkommode war hergerichtet und alles lag bereit. Viel Zeit zum Genießen hatte ich allerdings nicht. Für mich ging es direkt an die Wickelkommode, die nächste Wehe rollte an. Anschließend untersuchte Lisa mich kurz: spazieren gehen bräuchten wir nicht mehr 😉 Sie rief Dori an, die 2. Hebamme sein würde. Die gab einem ihrer Söhne noch ein Küsschen und fuhr sofort los, wie sie mir später erzählte. Während der nächsten Wehenpause fragte mich Lisa, ob ich vielleicht in die Badewanne wolle? Ich bejahte und sie fing an das Wasser einzulassen. Ich stand immer noch verkrampft an der Wickelkommode und während der nächsten Wehe platzte dann die Fruchtblase. Lisa rief Dori an, es würde eng werden.
Das Wasser wurde also wieder abgestellt und ich wurde gewarnt, dass es jetzt gleich gewaltig an Intensität zunehmen würde. Genau so war es dann auch. Ich habe keine Ahnung mehr, ob ich die nächsten nur wenigen Minuten korrekt wiedergeben kann. Ich sollte in die tiefe Hocke vor dem Bett. Das ging aber irgendwie nicht mehr. Ich drehte mich einfach zu Axel um und er hielt mich fest. Der Kopf wurde geboren. Danach gab es eine kurze Pause. Man hörte, glaube ich, schon das Baby. Nach weiteren 2 oder 3 Wehen wurde der Körper geboren. Ich stand die ganze Zeit und Lisa war hinter mir. Sie hielt das Baby fest und fing es sicher auf. Leider war die Nabelschnur sehr kurz. Lisa bat mich, mich hinzusetzen und das Baby etwas auf meinen Bauch zu ziehen. Mein Mann fragte sie, was es denn sei? Lisa sagte uns dann, dass ein Mädchen unsere Familie komplettieren würde. Ein unglaublicher Moment. Die Uhr zeigte 16:29 Uhr, eine halbe Stunde, nachdem wir den Parkschein gelöst hatten. Die Zeit, die sie die letzten Tage vertrödelt hatte, wollte sie bei der Geburt scheinbar wieder rausholen.
Halb auf dem Bauch hängend wurde abgenabelt. Mein Mann durfte die Nabelschnur durchschneiden. Die Plazenta wurde geboren und Lisa kontrollierte auf Vollständigkeit. Dann vergingen erstmal einige Minuten, in denen für mich die Zeit still stand. Irgendwann kam dann Katharina zu uns rein und gratulierte uns. Etwas später dann Dori. Sie hatte es nicht rechtzeitig schaffen können, zu dichter Verkehr. Irgendwie ging halt alles einfach zu schnell. Einerseits war ich froh, dass es vorbei war, andererseits hätte ich sie gerne dabei gehabt. Sie hatte uns schon bei unserer ersten Tochter während der Schwangerschaft betreut und die Nachsorge bei uns zu Hause gemacht. Entbindungen hat sie damals aber noch nicht gemacht. Deshalb hatte ich mich diesmal schon sehr gefreut, als ich erfuhr, wer 2. Hebamme sein würde. Dori und Lisa nähten einige Stellen bei mir, während unser kleines Mädel bei Axel ruhen durfte. Nachdem alles beim Baby und bei mir in Ordnung war, kuschelten wir noch etwas. Ich konnte duschen und es gab die obligatorische Pizza.
Um kurz vor 20 Uhr verließen wir das Geburtshaus. Natürlich erst, nachdem wir ein Bild von der Tafel gemacht hatten. Die Teilnehmer vom Geburtsvorbereitungskurs, der gleich startete, gratulieren uns. Ich wünschte ihnen viel Spaß. Das darf man, wenn man es hinter sich gebracht hat 😉
Der Eintrag auf der Tafel lautete:
30.10.2018
Luzie
16:29 Uhr
Vielen Dank, liebe Lisa !
Vielen Dank, liebe Dori !
Einfach für Alles. Für den tollsten Start ins Leben, den man sich wünschen kann…
Ein großes Kompliment an dieser Stelle auch extra nochmal für Lisa. Sie macht ja erst seit Anfang Oktober selber Entbindungen als 1. Hebamme. Ich habe mich durch ihre Ruhe total sicher gefühlt. War irgendwie wie nach Hause kommen. Einfach total schön und entspannt.
Dies wird dann wohl mein letzter Geburtsbericht sein. Deshalb möchte ich mich auch noch beim gesamten Team bedanken, die mir eine solche Geburt ermöglicht haben. Ich hatte gleich zwei Mal im Leben riesiges Glück, es so machen zu dürfen. Mit Liebe und Nähe begleitet zu werden und nicht als Nummer in einer Klinik.
Liebe Grüße von Jasmin & Axel
und Ronja & Luzie