Am 1. Februar war mein errechneter Termin und der Tag fing turbulent an. Ich hatte morgens einen
Termin bei meiner Frauenärztin, die noch einen kurzen Routine-Ultraschall gemacht hat. Während
des dritten, großen Ultraschalls wurden Zysten in einer der beiden Nieren meiner Tochter entdeckt
und so wurde bei allen Terminen einmal kurz geschallt, um zu schauen, ob sich die Zysten
veränderten. Bei diesem letzten Ultraschall meinte meine Frauenärztin plötzlich eine riesige Zyste
entdeckt zu haben. Ich wurde als Notfall nach Bethel verwiesen, wo eine Fachärztin nochmal
schallte und feststellte, dass die riesige Zyste nur die gefüllte Blase war. Die Nieren sahen
stattdessen sehr gut aus! Erstmalige Erleichterung. Dennoch wollte man mich direkt für eine
Einleitung dabehalten, da das Baby „furchtbar riesig, weit über 4kg“ werden würde und damit
sicher „im Geburtskanal stecken bleiben würde“. Es gäbe doch gar keinen Grund noch weiter zu
warten! Ich verneinte die Einleitung und vertraute ganz darauf, dass mein Baby mir schon den
richtigen Tag für ihre Geburt deutlich machen würde. Stattdessen sollte ich mich in 2 Tagen
nochmal melden, dann sollte aber eingeleitet werden! Ich sagte erst mal zu, damit man mich gehen
ließ.
Zuhause entschieden meine Frau und ich, dass wir der Geburt ein bisschen auf die Sprünge
verhelfen könnten, um mir einen erneuten unangenehmen Aufenthalt in Bethel zu ersparen. Wir
wendeten alle Hausmittelchen an, die uns einfielen. Es gab zum Beispiel besonders viel Zimt- und
Ingwertee für mich. Und tatsächlich, am 2. Februar, morgens gegen halb 3, spürte ich die ersten
Wehen. Sie fühlten sich viel stärker an, als die Vorwehen, die ich davor immer mal wieder hatte. Ich
wartete noch eine Weile ab, bevor ich meine Frau weckte. Sie trackte die Wehen und tatsächlich
waren sie beinahe regelmäßig und gingen auch nicht mehr weg, wie das die Tage zuvor immer
wieder der Fall war. Wir waren aufgeregt, sollte heute endlich unser Baby kommen?
Noch waren die Wehen aushaltbar und ich konnte frühstücken. Auch unter der Dusche gingen die
Wehen nicht weg. Gegen Mittag wurde der Abstand zwischen den Wehen länger, bis zu 15 Minuten.
Dennoch waren die Pausen nie lange genug, um mich ausruhen zu können. Mittlerweile musste ich
auch veratmen. Um den Abstand zu verkürzen, gingen wir noch mit unserem Hund spazieren. In
den Wehenpausen war alles gut, aber wenn diese vorbei waren, war es nicht mehr angenehm!
Dennoch war ich vor Euphorie erfüllt. Es war mittlerweile nachmittags, die Wehen waren zwar
nicht nach der 3-2-1 Regel regelmäßig, aber doch kurz davor. Meine Frau rief im Geburtshaus an
und wir sollten vorbei kommen, um zu schauen, wie der Muttermundstand ist.
Die kurze Fahrt zum Geburtshaus war sehr unangenehm. Aber wir hatten die Hoffnung, dass wir
auf der Rückfahrt unser Baby mitnehmen durften. Bei der Untersuchung stellte sich jedoch heraus,
dass ich mich nur in der Latenzphase befand und mein Muttermund noch komplett verschlossen
war! Mit den Worten „lange Latenzphasen führen oft zu schnellen Geburten“ versuchte man uns zu
beruhigen. Aber ich konnte kaum die Tränen zurück halten. Der ganze Schmerz und die ganze
Anstrengung und es war noch lange nicht vorbei?! Auf der Rückfahrt war ich still und
angekommen, legte ich mich sofort ins Bett und versuchte mich mental auf die noch bevorstehende
Zeit vorzubereiten. Es würde noch eine Weile dauern aber irgendwann würde es geschafft sein! Im
Bett dachte ich über die Podcast Reihe „die friedliche Geburt“ nach, die ich in meinem letzten
Schwangerschaftstrimester regelmäßig gehört habe, und versuchte regelmäßig zu atmen und mir
meine schöne Geburt vorzustellen. Es war früher Abend und die Wehen wurden in der Tat
intensiver. Ich konnte nicht mehr sagen, welchen Abstand sie mittlerweile hatten. Ich war seit den
frühen Morgenstunden wach, hatte wenig gegessen und konnte mich zwischendurch nicht ausruhen.
Ich fühlte mich jetzt schon am Ende meiner Kräfte.
Mühsam konnte ich mich nur noch auf die Toilette schleppen. Doch plötzlich spürte ich etwas aus
mir herausflutschen und in der Toilettenschüssel war ein blutiger, schleimiger Pfropfen. Dabei
dachte ich, der Schleimpfropf war schon längst abgegangen!
Meine Frau rief wieder im Geburtshaus an, im Hintergrund hörte man mich die Wehen mittlerweile
vertönen, so intensiv waren sie. Es war ca. 21:00 und endlich durften wir wieder ins Geburtshaus.
Meine Frau fragte, ob man mir eine Badewanne einlassen könnte, da wir zuhause keine hatten. Der
Gedanke an eine warme Badewanne ließ mich die Autofahrt überstehen.
Angekommen zog ich mich direkt aus, mir war mittlerweile alles egal, und endlich konnte ich ins
warme Wasser. Das tat so gut!
Kathi hatte Dienst, was ein bisschen witzig war, denn sie war die einzige Hebamme, die wir bisher
noch nicht kennen gelernt hatten. Aber ich fühlte mich durch ihre ruhige, angenehme Art direkt gut
aufgehoben. Kathi untersuchte mich und stellte fest, dass mein Muttermund tatsächlich komplett
offen war! Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, sagte sie, und rief die zweite Hebamme, Alex,
und die Praktikantin, Judith, an. Ich war erleichtert. Mein Kind würde im Geburtshaus zur Welt
kommen, ich war an einem guten, sicheren Ort, was auch immer in den nächsten Stunden passieren
würde, ich würde es überstehen.
Nachdem nun also die Geburt kurz bevorstehen sollte, sollte ich aus der Wanne raus und schon mal
diverse Geburtspositionen einnehmen, damit das Baby tiefer in den Geburtskanal rutschte. Alex und
Judith kamen mittlerweile an und ich freute mich beide zu sehen.
Die nächsten Stunden verbrachte ich im Delirium. Die Schmerzen waren mittlerweile stärker und
die Wehenpause nur noch sehr kurz. Schlimmer war für mich allerdings die Erschöpfung. Stunden
vergingen und es tat sich wenig. Von einer schnellen Geburt war nicht mehr die Rede. Ich wurde zu
allen möglichen Geburtspositionen angeleitet, damit das Baby tiefer rutschte, und ich befolgte alles
kommentarlos. Ich war nicht mehr in der Lage viel zu erwidern. Ich fühlte mich weggetreten und
konnte nur daran denken, dass es immerhin bald vorbei wäre. In den nächsten Stunden würde mein
Baby kommen, immerhin! Es war mittlerweile schon früher Morgen, der dritte Februar, auch wenn
ich nicht mitbekam wie die Zeit verging, Für mich fühlte sich alles wie eine gleiche Masse an, ohne
Anfang und Ende. Zwischendurch wurden immer wieder die Herztöne des Babys abgehört, aber sie
blieben ruhig und regelmäßig. Meine Babymaus machte die Geburt gut mit und bewahrte mich vor
einer Verlegung ins Krankenhaus. Zwischendurch platzte bei einer Untersuchung die Fruchtblase
und gab mir neuen Aufschwung, der aber nur kurz anhielt. Es dauerte weiter sehr lange.
Nach langer Zeit war schließlich der Kopf sichtbar und die Presswehen begannen. Ich durfte den
Kopf fühlen, spürte aber nur eine harte, schleimige Masse. Das hatte ich mir irgendwie
romantischer vorgestellt. Ich war erleichtert, dass ich bei jeder Wehe nun mitpressen durfte, das
fühlte sich so an, als hätte ich wenigstens ein bisschen mehr Kontrolle über diesen Wirbelsturm an
Geburt. Jetzt sollte das Baby aber bald kommen, der Kopf war ja schon sichtbar! Aber wieder
vergingen Stunden. Ich wurde durch den ganzen Raum geschickt für unterschiedliche Positionen, in
keiner verblieb ich länger als ein paar Minuten. Das Pressen war anstrengend, mittlerweile zitterte
mein ganzer Körper von den unterschiedlichen Positionen.
Es war mittlerweile kurz vor 6, ich hockte vorm Bett, meine Frau saß hinter mir und ich fühlte mich
am Ende meiner Kräfte. Wäre ich in der Lage gewesen zu sprechen, hätte ich mir schon fast einen
Dammschnitt gewünscht, Hauptsache mein Baby kam endlich. Sie musste jetzt definitiv raus!
Ich bekam nur halb mit, wie eine der Hebammen, Kathi oder Alex, ich konnte es nicht mehr
unterscheiden, auf meinen Bauch drückte und die andere meinen Damm mit einem Finger spreizte
und plötzlich spürte ich, wie bei der nächsten Presswehe etwas harten und zugleich feucht-warmweiches aus mir herausflutschte. „Der Kopf ist da!“ wurde gejubelt und sofort folgte der Körper.
Dieser Moment, als sie aus mir herauskam, werde ich nie vergessen. Zwischen meinen Beinen lag
mein Baby. Meine Tochter Matilda! Auf die meine Frau und ich all die Monate gewartet hatten.
Plötzlich war sie da. Der Moment fühlte sich so surreal an. Das war in meinen Bauch gewachsen?
Sofort wurde mir Matilda auf die Brust gelegt. Meine Sicht war verschwommen, ich konnte nur die
dunklen Haare erkennen und spürte aber diesen warmen, weichen Körper auf mir. Ich schaffte es
irgendwie aufs Bett hinter mir und lag einfach nur da mit ihr. Sie schrie nicht. Ich spürte nur leichte
Bewegungen auf mir. Aber sie war da! Meine Frau durchschnitt die Nabelschnur, damit Matilda
kurz untersucht werden konnte. Sie bekam Sauerstoff und ich hörte den ersten kleinen Schrei.
Bei mir fingen mittlerweile aber die Nachwehen an. Und da dachte ich, der Schmerz wäre
überstanden! Die Plazenta war noch in mir und die Regeln des Geburtshauses waren, dass nur eine
halbe Stunde verstreichen durfte! Langsam lief die Zeit ab. Kurz vor Schluss schafften Kathi und
ich es, dass sie doch endlich heraus flutschte. Die Geburt war endlich beendet.
Kathi, Alex und Judith gratulierten mir und ich, endlich wieder in der Lage zu sprechen und etwas
von meiner Umgebung mitzubekommen, war ihnen einfach nur wahnsinnig dankbar, dass sie für
mich da waren und ich meine Tochter im Geburtshaus entbinden durfte.
Kathi nähte noch meine Geburtsverletzungen, die zum Glück nicht so schlimm waren, wie zuerst
befürchtet. Ein Dammriss zweiten Grades und viele Hämatome. Das würde mir für die nächsten
Tage noch viel Freude bereiten 😉
Die Geburt meiner Tochter war unglaublich lang und absolut nicht so, wie ich sie mir vorgestellt
habe. Dennoch bin ich so unglaublich dankbar, dass ich im Geburtshaus entbinden durfte und dass
Kathi, Alex und Judith (und meine Frau natürlich) die ganze Zeit für mich da waren. Es gab keinen
einzigen Moment, in dem ich mich nicht sicher und gut aufgehoben gefühlt habe. Im Geburtshaus
zu entbinden war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
Ich hoffe, ich kann allen Frauen*, die diesen Bericht lesen, ein bisschen Mut machen. Nicht jede
Geburt ist wie aus dem Bilderbuch – und kann sich trotzdem schön und sicher anfühlen