Milo Johannes (*9. Januar 2014)
Endlich habe ich es geschafft, einen Bericht zu schreiben! 7 Wochen ist es her, aber er behandelt auch 2 Geburten. Aber lest selbst…
Am 9.1. kam unser kleiner Milo im Geburtshaus in Bielefeld zur Welt. Ich möchte meinen Bericht aber ca. 2 Jahre in der Vergangenheit beginnen…
Ende November 2011 sollte unser erster Sohn im Geburtshaus in Bielefeld zur Welt kommen – so der Plan. Tiefenentspannt ging ich am errechneten Termin zur Vorsorge ins Geburtshaus, es gab aber noch keine Anzeichen für eine baldige Geburt. Nach meiner Rechnung gab es keinen Grund für Stress: Da alles gut war hatten wir ja noch bis zu 14 Tage Zeit, bevor es irgendwie hektisch werden könnte. Da alles andere vorbereitet war, und ich meinen Wanst auch ziemlich leid war, konnte es von mir aus losgehen.
Zwei Tage später hatte ich einen Vorsorgetermin bei der Ärztin. Die stellte fest, dass das Fruchtwasser nicht mehr ausreichend vorhanden war: „Wir müssen über eine Einleitung nachdenken.“ Mein leerer (und immer noch recht entspannter) Gesichtsausdruck brachte sie zu dem Nachsatz: „Zeitnah.“ Etwas beunruhigt fragte ich: „Was heißt das?“ „Heute oder morgen.“
Bäm!!! Das riss mich aus meiner Entspannung wie ein Keulenschlag. Sehr aufgelöst telefonierte ich mit Hebamme Jule, die wiederum mit der Ärztin telefonierte und einen Einleitungsversuch im Geburtshaus „raushandelte“. Einige Tränen und verschiedene Telefonate später besorgten der Hase (mein Mann) und ich die Zutaten für den Rhizinus-Cocktail und gingen ans Werk. Um 0 Uhr hatte ich leichte Wehen – allerdings von Anfang an in ca. 1-minütigem Abstand. Um 3 Uhr trafen wir uns mit Jule im Geburtshaus, die aber recht schnell feststellte, dass die Herztöne unseres ungeborenen Sohnes nicht so gut waren, dass er also irgendwie Stress hatte. Um eine eventuelle spätere Verlegung in Hektik zu vermeiden, einigten wir uns auf die Umsiedelung ins Krankenhaus. Traum von außerklinischer Geburt geplatzt! Gut, dass es mir in dem Moment nicht mehr so wichtig war, denn ich hatte starke Wehen…
Die Geburt verlief dann auch nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben, eher in die Richtung, wie wir es so gar nicht wollten. Im Krankenhaus waren wir ziemlich auf uns allein gestellt, nur gelegentlich schaute jemand nach uns. Doof. Ich hatte starke Wehen, die fast ohne Pause kamen und zitterte schon vor Erschöpfung am ganzen Leib. Da mich niemand Kompetentes begleitete (also im Sinne einer Hebamme), war ich schnell mit meinem Latein am Ende und verlangte – was ich eigentlich auf keinen Fall wollte – nach einer PDA.
Nach einem relativ ruhigen Vormittag wurde es dann mittags hektisch. Letztlich kam unser Sohn Leander um 12.36 Uhr mithilfe einer Saugglocke zur Welt. Es wurde natürlich geschnitten (warum sollte ich auch Glück haben…). Während der Pressphase hatten die Hebammen und der dazugerufene Oberarzt öfters getuschelt; der Hase meinte, sie hätten beraten, ob es nicht doch nötig sei, einen Kaiserschnitt zu machen. Gottseidank war ich irgendwie nicht ganz da… Immerhin sind wir um den großen Eingriff herum gekommen!
Weshalb ich das Voraus schicke? Ich wusste schon vor der ersten Geburt, dass ich auf keinen Fall im Krankenhaus entbinden wollte, aber als ich im Frühjahr 2013 wieder schwanger war, war ich mir aufgrund der ersten Geburt noch mal um 100 Prozent sicherer, dass sich das nicht wiederholen sollte: Ich war fest davon überzeugt, dass die mangelnde (nicht böswillige, sondern im Krankenhaus sicher übliche und personalabhängige) Betreuung der Grund dafür war, dass ich die PDA verlangte, die wiederum Grund für den schleppenden Fortschritt der Geburt war, was die Saugglocke und das Schneiden nötig machte. Meine Rechnung war: Bessere Betreuung und Hilfe bei der Geburt = „schöne“ Geburt ohne Schneiden, Nähen usw. Ob das diesmal klappen würde? Die Traumgeburt?
Wir wollten unser zweites Kind also diesmal unbedingt im Geburtshaus zur Welt bringen. Es gab nur ein Problem: In der Zwischenzeit waren wir aus Bielefeld weggezogen und wohnen nun ca. 30 km und zur Feierabendverkehrszeit ca. 40 Minuten weit entfernt vom Geburtshaus. Die Alternative Hausgeburt kam für mich nicht in Frage. Warum, kann ich nicht genau sagen. Ist wohl ne Typfrage. Manche finden, es ist das allertollste, wenn die Kinder in den eigenen 4 Wänden zur Welt kommen, andere (wie ich) finden, dass das eine gruselige Vorstellung ist (was sagen die Nachbarn? Wer räumt nachher auf? Kann ich dann noch ohne Alpträume im Ehebett schlafen?? Etc.).
Schließlich meldeten wir uns im Geburtshaus an und vereinbarten mit meinen Schwiegereltern, die in Bielefeld wohnen, dass wir uns beim ersten ernst zu nehmenden Anzeichen von Geburt auf den Weg zu ihnen und gegebenenfalls dort Station machen. Wir wollten unseren Erstgeborenen ohnehin dort parken.
Gegen Ende der komplikationslosen Schwangerschaft schwankte ich gefühlsmäßig zwischen zwei Extremen hin und her: Der Angst vor einer Blitzgeburt auf der B239 und vor einem erneuten Über-Termin-gehen mit allen bereits bekannten und wohlmöglich weiteren unschönen Folgen. Es gab tatsächlich Leute, die es nicht problematisch finden, einer Hochschwangeren zu erzählen, dass dieses und jenes Kind nach nur 20 Minuten und 3 Wehen auf die Welt gekommen sind. Dummerweise gab es da auch jene Geschichte, die sich im Juli 1974 zugetragen hat und nach ebenfalls sehr kurzer Zeit und aufgrund der Eile mit einem gebrochenen Schlüsselbein des Neugeborenen endete… (so beschreibt meine Mutter meine Geburt.. auch das zweite Kind!).
In Sachen Über-Termin-gehen war ich eeeetwas entspannter, denn ich hatte inzwischen einen weiteren Vorbereitungskurs belegt, um mich … nun ja, also etwas vorbereiteter zu fühlen. Dabei hatte ich nochmal einiges gelernt, die erste Geburt weiter verarbeitet und habe dabei auch meine eigenen Fehler oder Fehlentscheidungen hinterfragt. Zum Beispiel hätte ich damals nach dem Befund der Gyn bezüglich des Fruchtwassers nicht in Panik verfallen müssen. Ich hätte auch die Meinung eines weiteren Arztes einholen, die Hebammen um Rat fragen oder auch eigenmächtig entscheiden können, noch ein paar Tage zu warten. Keine Ahnung, ob ich das getan hätte, aber mir war irgendwie nicht klar, dass ich dem, was die Ärztin sagt, nicht zwingend Folge leisten muss. Was habe ich gedacht, was sonst passiert? Dass mich die Polizei abholt? Oder das Jugendamt??? Ts.
Anfang Januar verabschiedete sich dann der Schleimpropf. Nachdem ich bei der ersten Geburt nicht eins der möglichen Geburtsanzeichen hatte, war das für mich ein gutes Zeichen und ich freute mich, dass es diesmal irgendwie anders läuft.
Es trat letztlich gottseidank kein Extremfall ein. Am 9.1. wachte ich um 5 Uhr morgens mit einem Ziehen im Unterleib auf. Ich wusste ja nun schon, wie sich Wehen anfühlen. Da sie rhythmisch kamen (ca. alle 7-8 Minuten), dachte ich: Aha, es geht los. Um 6:30 Uhr wählte ich die Telefonnummer von Hebammenteam B. Sabine war noch etwas verschlafen (sorry!) als sie dran ging und schlug mir den Badewannentest vor. Ich hatte etwas Angst, dass die Wehen dann stärker werden könnten (im Hinblick auf die 30-40 Minuten Autofahrt war das ja nicht sehr verlockend), ließ mir dann aber doch Wasser ein. Mein Zustand veränderte sich nicht, weshalb ich um 7:15 Uhr wieder bei Sabine anrief, mit der wir uns um 9 Uhr im Geburtshaus verabredeten. Wir packten die letzten Sachen und machten uns auf zu den Eltern vom Hasen, bei denen wir unseren Zweijährigen ablieferten.
Im Geburtshaus gab es folgenden Befund: Muttermund 2-3 cm offen und weich, „damit kann man als Zweitgebärende auch noch eine Woche herumlaufen, aber ich denke schon, dass es heute losgeht“, so Sabine. Wir könnten wieder fahren oder auch in der Nähe des Geburtshauses bleiben und spazieren gehen und sollten wiederkommen, wenn die Wehen deutlich stärker sind. Wir fuhren zurück zu den Schwiegereltern und da ich es etwas unpassend fand, die stärker werdenden Wehen in deren Wohnzimmer zu veratmen, machten wir uns auf zu einem Spaziergang. (Ich hatte vomVorbereitungskurs noch im Ohr, möglichst viel in der Senkrechten zu bleiben und immer die Schwerkraft zu nutzen, sitzen oder liegen war gottseidank auch eher unangenehm.) Der Spaziergang dauerte nicht lange, bis es mir fast nicht mehr möglich war, die Wehen allein (ok, in Wahrheit nicht allein, sondern am Hasen dran hängend) entspannt zu veratmen. Leichtes Panikatmen setzte ein, keine Spur mehr von Entspannung – ich brauchte dringend Unterstützung.
Wir fuhren also wieder zum Geburtshaus und ich betete nach jeder Wehe, dass das die letzte im Auto war. Ich glaube, ich musste so ca. 5 aushalten (Abstand ca. 3 Minuten). Das war echt fies. Um 11:30 Uhr im Geburtshaus angekommen (gerade war das Parkticket vom ersten Besuch abgelaufen – Mist!) war Sabine noch in einer Vorsorge. So schnell hatte wohl niemand wieder mit uns gerechnet, weshalb die angehende Hebamme Tanja – seit 3 Tagen im Geburtshaus – mit mir die Wehen veratmete und mir damit in dem Moment quasi das Leben rettete. Ich hatte mich sofort aufs Bett geschmissen und mein Mann und ich sind uns einig, dass wir dort gefühlte 2 Stunden verbrachten. Sabine kam anfangs kurz herüber und schaute nach dem Muttermund: 5 cm. Sie brachte noch die Vorsorge zuende und als sie wiederkam, war der Muttermund schon ganz auf! Aber ein Rest vom Gebärmutterhals „stand noch“ oder so ähnlich (bitte erwartet nicht, dass ich in der Lage war, mir die medizinisch korrekten Details zu merken…). Deshalb sollte ich in die Wanne gehen. Dort angekommen verspürte ich relativ bald einen Pressdrang, so dass Sabine dazu kam und Nike als zweite Hebamme angefordert wurde. Nach einigen schmerzhaften Presswehen (dieses Brennen!) platzte irgendwann die Fruchtblase (hat richtig ‚Peng!‘ in mir drin gemacht, krasses Gefühl!!). Einige Wehen später kam der Kopf und ich sollte mich in die Rückenlage bewegen (Reihenfolge richtig? weiß ich nicht mehr), damit das Kind gut auftauchen kann. Dann wurde es noch ein bisschen hektisch, da der Rest nicht so reibungslos kommen wollte – der Schlingel hatte einen Arm mit rausgemogelt! (Von uns später liebevoll als „Supermann-Pose“ verkauft…)
Schließlich und mit ein bisschen Hilfe von Sabine kam unser Sohn zur Welt. Dieses Herausflutschen ist ja wirklich unglaublich! Damit kommt der ganze Schmerz, der ganze Druck und die Anspannung (von 9 Monaten) mit raus und man ist total erleichtert und froh!
Dann kam Nike rein (sie hatte nur 12 Minuten gebraucht, aber wir waren schneller…) und Sabine fragte Tanja nach der Uhrzeit. Unglaublich: Es war 12:09 Uhr! Wir dachten zuerst, das müsse ein Versehen sein, aber tatsächlich: Von unserer Ankunft um 11:30 Uhr, über das Wehen veratmen auf dem Bett, Muttermund von 5 auf 10 cm, inklusive Badewasser einlassen (erst ein bisschen zu heiß), über das Pressen bis zur Geburt hatte es keine 40 Minuten gedauert! Und da war er nun: Klein-Supermann, Milo Johannes, mit 3.900 g Kampfgewicht und stolzen 55 cm Länge! Papa hatte mal wieder Pipi in den Augen und Mama war einfach nur froh, dass sie es diesmal ganz allein geschafft hat.
Die nachfolgenden 3 Stunden möchte ich nur kurz skizzieren: Milo hängte sich gleich an die Milchquelle, döste dann ein bisschen auf Papas Brust, die Plazenta ließ fast eine Stunde auf sich warten und hätte so beinahe noch eine Verlegung ausgelöst (war dann aber auch so was von groß!) und das Nähen dauerte – mal wieder gefühlt – länger als die eigentliche Geburt. Dann gab es noch schnell eine Hühnersuppe und ein Glas Sekt und wir traten mit unserem Neuzugang den Heimweg an!
Normalerweise enden hier die Geburtsberichte, aber da meiner ja schon anders angefangen hat, endet er auch anders…
Eine Geburt ist nicht wirklich ein Kindergeburtstag (wer etwas anderes behauptet, gehört zu den glücklichen 0,irgendwas Prozent, die bei der Geburt keine Schmerzen haben und keine Verletzungen davon tragen…). Aber das Wochenbett ist ja auch nicht nur schön. Nochmal eine kurze Reise in die Vergangenheit (kommt ihr noch mit?): Die ersten vier Wochen nach der ersten Geburt 2011 waren echt richtig blöd. Die Schmerzen des Schnitts waren eigentlich nicht so schlimm. Erstaunlich eigentlich. Vielleicht ein bisschen eng genäht… 😉 Es war aber für mich nicht so einfach damit zurecht zu kommen, dass ich „untenrum“ so verletzt/vernarbt und in Zukunft verändert bin. Irgendwie mehr so Kopfkino als echtes Leiden. Schlimmer waren aber die Schmerzen an einer geringfügig weiter hinten gelegenen Stelle… Richtig. Die, deren Namen nicht genannt werden darf. Mache es trotzdem, nützt ja nichts… Ich bin leider schon lange von Hämorrhoiden geplagt und durch das ungewöhnlich starke Pressen (das dem Einsatz der Saugglocke voraus ging) waren sie durch die Geburt richtig schlimm geworden. Oh Schmerzen! Wie doof ist das denn, wenn du nicht stehen sollst und nicht sitzen kannst, sondern nur liegen, aber ein kleines Baby hast, das auch mal getragen und geschuckelt werden will… Wer hat sich das ausgedacht?? Dass diese Probleme an einer Stelle auftauchen, die man jeden Tag benutzen muss??? Und wie mies, dass man nicht auf Schmerztabletten und schmerzlindernde Cremes zurückgreifen kann… Wer jetzt lacht, hat’s gut, weil sie/er diese Probleme nicht kennt.
Aber nun wieder in die Gegenwart: Die erste Woche des Wochenbetts war ehrlich gesagt mal wieder mies. Ich verstand die Welt nicht mehr. Die Geburtshaus-Geburt hatte doch geklappt, ging schnell und ohne Komplikationen, wir wurden toll betreut… aber das Ergebnis bei mir war wieder bescheiden. Was war denn jetzt schief gelaufen? Verdammt, wie schön könnte das Wochenbett ohne Nähte und Hämorrhoiden sein? Ich guckte mir die Bescherung im Spiegel an und war voll down.
Ehrlich gesagt, hatte ich wohl den vollen Babyblues und es nicht gemerkt! Klar, ohne Verletzungen ist besser, aber man muss sich einfach auch ein bisschen Zeit lassen (hat die auch die weise Sabine gesagt…). Und sich das im frischen Zustand anzuschauen, braucht kein Mensch. Top Tipp: Lasst das lieber bleiben!!
Aber nach einer Woche stieg ich auf wie der Phönix aus der Asche: Plötzlich ging es mir deutlich besser, meine Wunden heilten und ich eroberte mir jeden Tag wieder ein bisschen Lebensqualität zurück: Milo tragen, Treppen steigen, dem Erstgeborenen was vorlesen… Und da die Pressphase deutlich kürzer gewesen war, waren auch die bösen H’s schon bald Geschichte.
Heute, 7 Wochen nach der Geburt, bin ich sehr glücklich und blicke jetzt auch versöhnlich auf die Geburten zurück. Nachdem ich genesen bin, bin ich vor allem mit der zweiten Geburt sehr zufrieden. Ich muss sagen, dass ich bisher immer den Frauen, die eine Geburt als ein „schönes Erlebnis“ bezeichnen, im Geiste einen Vogel gezeigt habe, aber jetzt, nach dieser insgesamt sehr runden Geburt, finde ich das nicht mehr gaaanz so absurd (nur noch ein bisschen ;-)). Ich fand besonders toll, dass ich die ganze Zeit so klar im Kopf war und alles ganz bewusst mitbekommen habe. Und natürlich bin ich wahnsinnig stolz, das alles so gemeistert zu haben. Ich bin nicht wirklich traurig, dass das die letzte Geburtserfahrung war (wir wollen es bei den zwei Kindern belassen), im Gegenteil, ich bin froh, dass es mit einer im Endeffekt positiven Erfahrung endet.
Und das natürlich und nicht zuletzt Dank des tollen Hebammenteams des Geburtshauses! An dieser Stelle noch mal vielen, vielen Dank!!! Damals toll unterstützt haben uns Jule und Lisa, diesmal gilt besonderer Dank Sabine, Tanja und Nike!!! Ihr seid toll!
PS: Sollten wir doch auf die wahnwitzige Idee einer Nr. 3 kommen, würden wir wiederkommen (und keine noch so hohe weil nötige Existenzsicherungs-Pauschale könnte uns davon abhalten…)!
Danke danke danke: Christian und Andrea mit Leander und Milo